Meine Session Vorsicht bei der Sterbehilfe! Erschienen in der BaZ am: 29.09.2001

Jean Henri Dunant

Jean-Henri Dunant, SVP, BS

 

Der Nationalrat hat die Goldinitiative der SVP, welche die nicht mehr benötigten Goldreserven vollumfänglich der AHV zuführen will, in dieser Woche abgelehnt. Damit ist aber das letzte Wort noch nicht gesprochen. Das gehört dem Volk. Und das ist gut so. Denn das Volk wird hoffentlich erkennen, dass der Gegenvorschlag des Parlaments, also die Drittelung des Zinsertrags aus den Goldverkäufen, ein fauler Kompromiss ist. Der jährliche Betrag an den AHV-Fonds würde gerade für drei Tage reichen! - Nationalbankgold ist Volksvermögen. Es gehört nicht den Politikern. Die verfügbare Summe gehört deshalb in die AHV und nicht in eine Solidaritätsstiftung. Die Idee einer Solidaritätsstiftung entstand damals voreilig und unter äusserem Zwang. Die Schweizer lassen sich aber nicht gern zwingen.
Froh bin ich, dass die Parlamentarische Initiative von Christian Grobet abgelehnt wurde, welche die tödlichen Folgen des Tabakkonsums u.a. mit dem Verbot von Tabakwerbung bekämpfen wollte. Als Gefässchirurg kenne ich die durch Tabakkonsum verursachten verheerenden Schäden allzu gut und wäre grundsätzlich mit jeder strengen Massnahme zur Einschränkung des Tabakkonsums, vor allem bei Jugendlichen, einverstanden. Der Haken an der Geschichte liegt darin, dass der Tabakkonsum als solcher nicht verboten ist. Werbeverbote und abschreckende Aufschriften wiegen viel leichter als Gruppendruck, Modetrends und schlechte Vorbilder. Es ist eine Illusion zu glauben, mit fragwürdigen Vorschriften und neuen Abgaben könne ein Gesellschaftsproblem geändert werden.

In der nächsten Woche steht im Nationalrat ein Geschäft an, das mir ebenfalls als Arzt besonders am Herzen liegt. Der Fraktionschef der Sozialdemokraten, Franco Cavalli, will eine Neuregelung der Strafbarkeit der direkten aktiven Sterbehilfe. Diese soll unter bestimmten Bedingungen straffrei werden. Für den Arzt bleibt auch bei einem Patienten mit unheilbarer Krankheit die Aufgabe bestehen, körperliche und seelische Leiden zu lindern. Die absichtliche Tötung eines Menschen darf niemals Aufgabe des Arztes werden. Ich anerkenne hingegen, dass es Fälle gibt, in denen aktive Sterbehilfe als Ausdruck tiefen Mitleides geleistet wird. Hier soll die menschliche Gerichtsbarkeit verzeihen. Es besteht jedoch ein grosser Unterschied zwischen Verzeihung einer grundsätzlich verbotenen Handlung, die aus tiefem Mitleid erfolgt, und der ausdrücklichen Legalisierung einer solchen Handlung. Die Fristenlösung am Anfang und die aktive Sterbehilfe am Ende der Lebenslinie passen ins gleiche Bild. Wir setzen uns über höhere Werte hinweg. Was für Indikationen, Gründe, und Weltanschauungen könnten dazu führen, dass auch mitten in der Lebenslinie Leben willkürlich ausgelöscht wird?
Wollen wir eine staatliche gebilligte vorsätzliche Tötung? Die Bevölkerung soll so etwas schon gar nicht vom Arzt erwarten können. Die Politiker sind es dem Volk schuldig, dass Missbräuche nicht aufkommen, dass die Grenze zum Tötungsakt ernst genommen wird. Die Selbstbestimmung des Patienten ist hoch zu halten, hat aber ihre Grenzen dann, wenn Selbstbestimmung zu Fremdbestimmung wird. Der Patient darf nicht erwarten, dass andere ihn umbringen. Bei der direkten aktiven Sterbehilfe wird der Arzt zum Täter. Die Medizin hat eine andere Aufgabe: Die palliative Pflege fördern.
In «Meine Session» kommt an den Samstagen der Sessionswochen jeweils ein Nationalrat der Region zum Wort. Die Abfolge ist alphabetisch. Am Mittwoch nach der Session ist die Kolumne einem der regionalen Ständeräte reserviert.

 

 

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